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Kenia

Das Projekt begann im Jahr 2007 mit einem Training in Gewaltfreier Kommunikation auf Einladung einer Gruppe von Menschen auf Rusinga Island im Viktoria-See. Trainerin war Fr. Dr. med. Irmtraud Kauschat, inzwischen Vorsitzende des Netzwerkes für Gewaltfreie Kommunikation Darmstadt Südhessen und auch im Vorstand von Badilisha, der Organisation, die sich auf Rusinga Island gegründet hat. Ziel war und ist, dazu beizutragen, dass Menschen unterschiedlicher Konfessionen friedlich miteinander leben und Gewalt allgemein, insbesondere gegen Frauen und Kinder abnimmt bzw. ganz verschwindet. 2008 und 2009 fanden weitere Trainings statt, auch zusammen mit anderen TrainerInnen. Träger ist inzwischen der Darmstädter Verein.

Im Jahr 2008 boten wir auch ein 2-tägiges Training in Nairobi an, eines, das von ca. 100 Personen besucht und von Better Chance Africa (Einer NGO) organisiert wurde. Ein weiteres 2-tägiges Training fand in Zusammenarbeit mit St. Peter Cleaver, eine Katholische Gemeinde in der Innenstadt von Nairobi, für die Jugendgruppe statt. Dabei hatten wir ca. 40 TeilnehmerInnen, meistens Studenten.

2009 waren wir eingeladen, in Nakuru, einem „hot spot“ während der gewalttätigen Auseinandersetzungen  nach den letzten Wahlen im Dezember 2007, ein GFK-Training abzuhalten. Einlader war ein Pastor, zu dessen Kirchengemeinde Menschen aus zwei verschiedenen Stämmen gehören, die sich gegenseitig bekämpft hatten. Statt der avisierten 20 TeilnehmerInnen fanden wir dann knapp 100 vor. 15 von ihnen waren Pastoren/Pfarrer unterschiedlicher Glaubensrichtungen, insgesamt waren Mitglieder von 5 verschiedenen Stämmen anwesend. Ein Teil des Trainings war Versöhnungsarbeit gewidmet, dass jeder sehen konnte, dass alle unter den gewalttätigen Auseinandersetzungen gelitten hatten. Am Ende hieß es, dass sie sich ohne dieses Training nie in einem Raum getroffen und miteinander geredet hätten.

Lange Zeit war es nicht sicher, ob das Projekt „IIT in Nairobi“ aus finanziellen Gründen wirklich stattfinden könnte. Doch dank zahlreicher Spenden (z.B. haben zwei TrainerInnen auf ihr Honorar verzichtet) ist es uns gelungen, das IIT mit
4 internationalen TrainerInnen : Dr. med. Irmtraud Kauschat(Deutschland), Raj Gill (Kanada), Dunia Hategekimana (Ruanda) Chris Rajendram (Sri Lanka)
3 internationalen OrganisatorInnen: Christiane Welk (Deutschland), Joshua Patroba (Kenia), Sam Odhiambo (Kenia)
Und 54 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Deutschland (1), Frankreich (1), Nigeria (4), Uganda (6); Burundi (1); Tanzania (1); Südafrika (1, kommt ursprünglich aus Uganda, lebt jetzt in Südafrika) und aus Kenia (39 TN aus verschiedenen Regionen in Kenia: Marsabit, Limuru, Nairobi, Rusinga Island, Mbita) durchzuführen.
Einige TeilnehmerInnen aus Nairobi nahmen als Tagesgäste teil, was sich wegen der schwierigen Verkehrsverhältnisse in Nairobi (regelmäßige Verkehrsstaus morgens und abends) als schwierig erwies. Glücklicherweise konnten wir dafür eine Lösung finden. Ein Teilnehmer, der etwas später zu der Gruppe stieß, brachte noch eine weitere Teilnehmerin mit, die nicht angemeldet war, aber ein starkes Interesse an der Teilnahme zeigte. Wir überschlugen unser Budget und konnten sie teilnehmen lassen. Gleichzeitig wäre es in Kenia und ich vermute in ganz Afrika schlicht unmöglich gewesen, sie wieder zurückzuschicken. Das lässt die Gastfreundschaft dort nicht zu. Zwei andere Teilnehmer kamen früher als geplant, auch diese konnten wir unterbringen. So war es eine ganz gemischte Gruppe, die sich am 5.April am späten Nachmittag zum ersten Mal traf und voller Erwartungen, neugieriger und freudiger Spannung in der Runde saß.
Wir starteten am Abend mit einer ersten Kennenlernrunde. Am zweiten Tag machte jede Trainerin, jeder Trainer ein Angebot für die gesamte Gruppe, das uns mitten in die Gewaltfreie Kommunikation führte. Durch diese Übungen kamen wir uns näher, lernten uns besser kennen und eine Gemeinschaft war im Wachsen begriffen.

Stellvertretend für die verschiedenen Übungen sei hier eine Übung beschrieben:
Zwei Personen stehen sich gegenüber mit Augenkontakt. Ein Trainer liest die folgenden Sätze vor, die Beteiligten sagen sie sich still zu sich selbst. Nach jedem Satz wird der Partner gewechselt, zuvor bedankt sich jede/r beim anderen.
Jeder Satz wird zweimal gelesen:
1. Genau wie ich, hast du Schmerz, Traurigkeit und Einsamkeit erlebt. Dank deinem Partner und suche dir eine andere Person
2. Genau wie ich, fühlst du Freude, Glück und Dankbarkeit
3. Genau wie ich, versuchst du dir deine Bedürfnisse zu erfüllen auf dem besten Weg, den du kennst und möchtest beitragen zu den Bedürfnissen der anderen.
4. Genau wie ich, hast du ein Verlangen (den Wunsch, die Sehnsucht) nach Frieden, Selbst-Ausdruck und wünscht dir in einer Welt zu leben, die für Alle passt.
5. Teile mit einem neuen Partner deine Erfahrungen in dieser Übung.

Um empathisch mit anderen zu sein, brauchen wir selbst Empathie für uns. Je vertrauter uns die innere Stimme ist und wir ihr zuhören können, umso besser können wir hören, verstehen, was außerhalb von uns vorgeht. Je geübter wir darin sind, mit uns empathisch zu sein, umso mehr Energie wächst uns zu, mit der wir uns empathisch mit einer anderen Person verbinden können.
Wenn diese Energie nicht zu uns kommt, können wir folgendes tun:
Einen Moment innehalten, einen tiefen Atemzug (oder mehr) nehmen, uns empathisch mit uns verbinden oder eine Auszeit nehmen. Diese Übung hinterließ bei vielen TeilnehmerInnen einen nachhaltigen Eindruck.

Themen der einzelnen Tage:

Community Building – Zusammenkommen in der Gruppe
Introduction to NVC/ Empathy on different levels – Einführung in die GFK; Empathie auf versch. Ebenen
Introduction to NVC/ decision making/ limiting beliefs – Einführung in die GFK, Entscheidungsfindung, Glaubenssätze
Anger,Guilt,shame, Scary Honesty – Ärger, Schuld, Scham, „Angst auslösende“ Ehrlichkeit
Restorative Justice, RC, mediation – Wiederherstellende Gerechtigkeit, Restrorative Circle, mediation
Hearing No – Saying No, Reconciliation – Nein Hören – Nein Sagen, Versöhnung Transforming enemy images, Healing, – Feindbilder überwinden, Heilung
Social Change – Sozialer Wandel
Celebration & Gratitude – Feiern und Dankbarkeit

Die Unterkunft, die wir nach einiger Suche beim letzten Aufenthalt gefunden hatten, erwies sich als hervorragend geeignet für ein solches Event. Es war ein Retreat-Haus einer Glaubensgemeinschaft (Little Sisters of St.Joseph – gehört zum Franziskaner-Orden). Das Haus liegt in einem eher ruhigen Teil von Nairobi, hat ein recht großes Gelände mit Garten und ist mit Einzel- und Doppelzimmern ausgestattet. Ein kleinerer Teil der Zimmer hat Dusche und WC. Das Essensangebot war großzügig und Extrawünsche wurden gerne berücksichtigt. Von Anfang an trugen auch die Schwestern zu einer herzlichen und freudvollen Atmosphäre bei und unterstützten uns so gut sie konnten.
Ein besonderes Event war der Nachmittag mit „Giraffes around the world“. Hier konnten TeilnehmerInnen und TrainerInnen Projekte vorstellen, in denen sie mit GFK arbeiten. Dazu waren auch Gäste aus dem Freundeskreis der Teilnehmerinnen und Teilnehmer und Interessierte eingeladen. Es kamen ca. 50 Gäste.
In kurzen Rollenspielen und Kurzeinführung wurden die Gäste mit dem Thema GFK vertraut gemacht. Anschließend war Zeit bei Tee und Gebäck, sich an den verschiedenen Tischen im Raum die Projekte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer genauer anzugucken, Fragen zu stellen und so einen genaueren Eindruck davon zu bekommen, was mit GFK alles möglich ist und welche Projekte bereits durchgeführt werden.
In der Zeit dort durchlebten wir eine Reihe von berührenden und auch herausfordernden Situationen, die sich dank der Gewaltfreien Kommunikation weiterentwickeln konnten:
• Das nun schon seit einiger Zeit in Gründung befindliche Netzwerk für Gewaltfreie Kommunikation in Kenia plante und einigte sich auf weitere Schritte um nun tatsächlich offiziell eingetragen zu werden
• Zwischen einigen Trainern aus Kenia gab es im Zusammenhang mit einem Projekt, bei dem sie Trainings gegeben haben, Schwierigkeiten, die mit den Beteiligten geklärt werden konnten, so dass eine Fortsetzung des Angebotes möglich wurde.
• Wir konnten erleben wie sehr der Zusammenhalt bei den Ethnien aus dem Norden Kenias gewachsen ist: In der Zeit des IIT gab es dort einen Zwischenfall der einen der beiden Ethnien mit einer anderen- die Zeitungen haben darüber berichtet. Ein Teilnehmer, der als Chief dort arbeitet, wurde zur Unterstützung dorthin gerufen. Die Gefahr, dass ein neuer Konflikt dort ausbricht, wurde als sehr groß eingeschätzt. Die gesamte Gruppe aus dem Norden Kenias- sie waren zu fünft – besprachen den Konflikt untereinander und begleiteten ihren Freund; ein Mann der anderen Ethnie (die sich vorher bekriegt hatten) begleitete ihn zur Abfahrt des Busses in Nairobi. Sie blieben die gesamte Zeit in Kontakt miteinander. Alle waren wir sehr froh, als wir hörten, dass die Mission gelungen und der Konflikt abgewendet war.
• Zu dem Angebot zur Zertifizierung, das Irmtraud Kauschat an einem Abend durchführte, kamen ca. 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die alle an diesem Thema interessiert waren. Eine Reihe von ihnen wollte gleich noch an Ort und Stelle registriert werden. Ich sehe das als große Bestätigung für unser Tun und Wirken.
• In der Folge wurde eine Facebookgruppe gegründet, in der sich die Kandidatinnen und Kandidaten austauschen können, in der wir Trainerinnen Angebote zur Reflexion machen und so in Kontakt miteinander bleiben.

Das ist nur ein winzig kleiner Ausschnitt aus dem, was während des IIT geschah. Immer wieder hörten wir von weiteren berührenden Erfahrungen der Teilnehmer, viele Einsichten wurden in den entsprechenden Runden geäußert, auch außerhalb der Trainingszeiten saßen die TeilnehmerInnen zusammen und sprachen, freuten sich und verbrachten die Zeit miteinander. Ein ganzes Stück mehr Zusammenhalt ist in der Zeit des IITs gewachsen.

Gewaltfreie Kommunikation in Krisengebieten

„Ich habe gar nicht gewusst, dass im Krieg beide Seiten verlieren“

Gewaltfreie Kommunikation wird auch Frieden stiftend in Krisen- und Konfliktgebieten eingesetzt, meistens im Sinne von Mediation = Vermittlung oder Täter-Opfer-Ausgleich.

Marshall Rosenberg und viele andere Trainer waren und sind in Israel / Palästina, in Ruanda, in Nordirland, Serbien und Kroatien tätig (gewesen), um nur einige der Kriegs- und Konfliktgebiete zu nennen

Ich selbst habe 1997 in einem ehemaligen Kriegsgebiet mit Jugendlichen gearbeitet, nämlich in der Nähe von Vukovar, das im Krieg zwischen Kroatien und Serbien ein wichtiges Kampfgebiet war. Diese zwei Seminare, die ich dort gehalten habe, haben mich sehr bewegt und bereichert und für mich Begeisterung und Beteiligung am Leben erfüllt.

Ein Teil der Jugendlichen waren serbischer Herkunft, die Gegend gehörte während des Krieges eine Zeit lang zu Serbien, wurde danach wieder von Kroatien erobert. Die kroatische Bevölkerung war zum großen Teil nach Ungarn oder Kroatien geflohen. Als ich dort war, stand das Gebiet unter UN-Mandat und sollte in absehbarer Zeit nach Kroatien eingegliedert werden

Die anderen Jugendlichen waren kroatischer Herkunft, sie waren mit ihren Eltern nach Ungarn geflohen und sollten wieder in ihre Heimat zurückkehren. Eine Woche vorher waren sie schon einmal in ihrer alten Schule, dort konnten gerade noch tätliche Auseinandersetzungen verhindert werden.

Beim ersten Treffen war die Atmosphäre zunächst sehr angespannt, wir fanden dann über einige Kennenlern-Übungen heraus, dass alle Jugendlichen das gleiche Essen mochten, die gleichen Musiker gut fanden und und und. Nach einer Zigarettenpause war die Stimmung lockerer, sie lachten auch miteinander und tauschten sich vorsichtig über ihre Erfahrungen aus.

Auf ihren Wunsch hin wurde ein Wochenendseminar ermöglicht, das ich mit dem Thema „Masken und Rollen“ gestaltete. Dabei wurde deutlich, dass Masken und Rollen das Bedürfnis nach Schutz erfüllen, gleichzeitig uns daran hindern (können), unser volles Potenzial zu leben.

In diesem Rahmen war es einer der Jugendlichen möglich, zu ihrer Trauer um den im Krieg umgekommenen Vater zu stehen, nachdem sie erlebt hatte, dass die Jungendlichen der anderen ethnischen Herkunft Menschen und nicht Feinde waren. Sie bekam die Einfühlung von den anderen, die sie brauchte: dass sie einen schweren Verlust erlitten hatte, tiefe Trauer und Schmerz empfand. Es gab keine Rechtfertigungen und Vorwürfe, sondern gemeinsame Trauer.

Am Schluss sagte einer der Teilnehmer: Ich habe gar nicht gewusst, dass im Krieg beide Seiten verlieren.

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